So, wir sind alle gut reingerutscht (- ihr hoffentlich auch!) ins neue Jahr, und anstatt im ersten Eintrag des Jahres 2011 meine privaten Vorsätze zu posten - die wohl mit denen vieler anderer Menschen übereinstimmen - möchte ich am Thema von myecandy dranbleiben, und euch diesmal meine Sicht auf Trends und Mode geben. Dem Auge wird natürlich auch etwas geboten, keine Sorge also :)
Viel Spaß beim Lesen - ich hoffe, ihr habt was auszusetzen und seid nicht kommentarscheu!
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Trägt man dieses Jahr Wrangler Jeans, ist man eine von Charlie´s Angels.
Gemeint ist das Original aus den 70ern. |
Egal, nach welchem Lifestyle-/Frauen-/Modemagazin man auch im Zeitungshandel greift, man kann sich ziemlich sicher sein, dass auf irgend einer Seite der Beauty-und Fashiontrends kleine Anleitungen zu finden sind: wie zieht man Lidstrich richtig, um das für die 50er typische Cateye hinzukriegen? Welche Bürsten und Schaumfestiger benutzen, um voluminöse Wellen im 70er Look zu stylen? Welche Muster beschwören das Flair der Hippies oder Rock´n´Roller herauf?
Kulturereignisse, Ideen, gesellschaftliche Errungenschaften und geschichtlichen Entwicklungen der Vergangenheit bilden zur Zeit anscheinend den Inspirationspool der Designer schlechthin. Zum Beispiel Querstreifen: es gab sie letztes Jahr überall, bis zum Abwinken und vor allem in den Farben weiß, blau, rot, schwarz. Wenn man also wollte, konnte man die neue, moderne Reinkarnation von Brigitte Bardot sein. Saint-Tropez in den 50ern, verlagert ins heutige Modeverständnis. Oder meine geliebten betonten Schultern! Bereits in den 1980ern wurden Schulterpolster wiederbelebt und in einen neuen Kontext, nämlich den der einflussreichen, ergebnisorientierten Frau gesetzt. Nachdem sie schnell von anderen Trends überholt wurden, haben auch sie letztes Jahr ein großes Comeback gefeiert.
weitere Beispiele in visueller Form:
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Wo bleibt James Dean mit dem Motoroller? |
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Eniko Mihalik - Punkrock der 80er |
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aus Fendis Lookbook S/S 11: Revival der 20er |
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Karlie Kloss für Dior S/S 2011, Styling inspiriert von Lauren Bacall, Schauspielerin ab den 40er |
Viele Entwicklungen begrüße ich, langsam aber sicher stellt sich bei mir eine gewisse Unzufriedenheit ein. Viele Trends begreife ich langsam als bloße Reproduktion von bereits Dagewesenem.
Ein Designer ist ein Künstler, der Gebrauchsgegenstände wie Kleidung gestaltet. Art und Weise sind absolut ihm überlassen. Das Wort "Schöpfung" im Sinne von "etwas schaffen, kreieren" birgt zwei Aspekte in sich. Erstens den religiösen Aspekt. Mode ist keine Religion, sie bietet keine "Lebensanleitung", so wie viele meinen, Mode sei eine Sicht der Dinge. Das halte ich für übertrieben, allerdings leuchtet mir eine andere Interpretation sofort ein: so, wie Gott aus dem Nichts die Menschheit geschaffen hat, so versucht auch der Designer innovative Wege zu finden, um Neues zu entwerfen. Dabei kommt die zweite Verständnisebene ins Spiel. Egal, ob man Ruhe schöpft, oder mit der Kelle schöpft, es gibt etwas anderes, aus dem geschöpft wird. Ob ich Entspannung im Musikhören finde oder die Kelle in die Suppe tauche, ist in dem Sinne also unrelevant. Die Quelle liegt nicht in uns.
Inspirationquellen sind heutzutage die Medien, die Kulturen und andere sehr abstrakte Begriffe. Ich wage zu behaupten, dass der Vintagehype dieses extreme Zurückwenden in der Modewelt sehr gefördert hat. Wenn müffelnde, von anderen bereits getragene Kleidung so gern kombiniert wird, um sich möglichst individuell abzugrenzen, warum sollte dann auch nicht Mode mit dem Flair der nahen Vergangenheit Erfolg haben? Das ist sehr pragmatisch gedacht, aber ich finde es trotzdem nicht abwegig.
Ich möchte allerdings keinen Designer des Mangels an eigenen Ideen beschuldigen.
Vielmehr handelt es sich hierbei um den aktuellen Zustand unserer westlichen, weißen Gesellschaft und Kultur, der sich auf die Schöpfenden auswirkt. Das Innovationsbestreben der Moderne ist heute überholt, in der Postmoderne ist man "weiter": vieles ist ausgekämpft, befreit und demokratisiert. Jetzt heißt es eher quer denken und in Frage stellen . (Den entscheidenden Wesenszug der Postmoderne kann man bei wikipedia ganz gut nachvollziehen, aber der ist hier nicht ansatzweise erfasst, da er eher unrelevant für meine Argumentation ist.) Die Innovation tritt also nicht durch neue Formen in Erscheinung, sondern im neuen Verständnis von bereits Vorhandenem.
Wahrscheinlich hapert es bei mir deshalb, dass ich den Kontext viel zu sehr aus den Augen verliere. Vielleicht bewerte ich die aktuellen Trends und Entwicklungen sogar unter. Aber nichts desto trotz habe ich keine Lust, im kommenden Sommer wieder bloß zwischen Trends wie "Landmädchen" und "Großstadthippie" wählen zu können. Was ich aus meinen kulturwissenschaftlichen Vorlesungen mitgenommen habe ist, dass das, was wir als "Fortschritt" oder "Entwicklung" bezeichnen, nicht bedeutet, dass es ein Ideal gibt, das es zu erreichen gilt. Niemand sagt, dass Fortschritt immer positiv zu Werten ist. So in etwa steht es aktuell auch um Mode.
Vielen Dank für´s Vorbeischauen und Lesen!